Namensforschung

Es war - so glaube ich- im Jahr 1994 als ich ein Gespräch mit dem Leiter der Abteilung Wirtschaft und Politik des amerikanischen Generalkonsulats hatte. Der Amerikaner namens Kennneth J. Pitterle behauptete, möglicherweise seien wir über viele Ecken verwandt und bedauerte, dass ich aus seiner Sicht auf die falsche Seite der politischen Front geraten sei. Ihm verdanke ich, den mir bis dahin unbekannten Zeitungsartikel über die Forschung nach den Wurzeln des Namens Pitterle, der bestimmt bei den vielen Pitterles in der Welt auf Interesse stoßen wird.

Entnommen dem WOCHEND-JOURNAL (erschienen 1994)

Den Ahnen der Familie Pitterle auf der Spur 

Mühevolle Suche nach Wurzeln des Namens führte in die Schweiz

Von Hubert Fromm

Zu den Großeltern mag jeder noch einen Bezug herstellen können, aber wie die Abstammungsverhältnisse davor aussehen, ist selten bekannt. Woher kommt man, wo liegen die Wurzeln der Vorfahren, wohin führen all die Linien und Zweige des eigenen Familiennamens, wann lässt er sich zum ersten mal nachweisen? Wer diesen Fragen auf den Grund gehen will, betreibt Ahnenforschung. Das kostet Zeit und Geld.

Stephan Pitterle aus Coburg, Ruheständler und früher als selbständiger Gärtnermeister tätig, hat sich die Zeit genommen und auch die Unkosten nicht gescheut. Er war in den Nachbarländer Tschechien, Österreich, Schweiz, Italien und Frankreich unterwegs, um die Wege seiner Ahnen nachzeichnen zu können. Er hat Menschen aufgesucht und sich in Archiven umgeschaut. Das haben zwar bereits andere vor ihm getan, doch keinem gelang eine Gesamtdarstellung – keiner konnte die Antwort nach dem Ursprung zufriedenstellend beantworten. Beides meisterte erst Stephan Pitterle. Er wies nach, dass die Wurzeln des Familiennnamens Pitterle in Pieterlen liegen, einer Gemeinde zwischen Biel und Grenchen in der Schweiz. Es waren die „ Edlen von Pieterlen“ ein uraltes alemannisches Rittergeschlecht, deren Name 1255 erstmalig urkundlich erwähnt wurde und über die Jahrhunderte – je nach Land und Dialekt in verschiedenen Schreibweisen – bin in die heutige Zeit erhalten blieb. 

Eine Fülle von Neuigkeiten

Dieses letzte und damit wichtigste Mosaik im Puzzle seiner Familiengeschichte entdeckte Pitterle, nachdem er in der Zeit von 1989 bis 1991 bereits zwei Stämme, den Tiroler und den Böhmischen, in ein Schema hatte integrieren können. Das Jahr 1991 brachte dann für Pitterle eine Fülle von Neuigkeiten. Von einer Bekannten, die zwölf Jahre in der Schweiz gelebt hatte, erfuhr er, dass es in Zürich mehrere Pitterles gebe. Ein Nachbar brachte deshalb vom Urlaub aus der Schweiz ein älteres Züricher Telefonbuch mit. Darin stand eine ganze Reihe Einwohner mit dem Namen „ Bitterli“. Von einem dieser Bitterlis erhielt Stephan Pitterle die Adresse von Jean-Remy Butterlin in Geispolsheim-Gare bei Straßburg, der wie Pitterle auch Ahnenforschung betreibt und bereits eine „ Généalogie d´une familie“ geschrieben hatte. Butterlin wußte aber weder über den tiroler noch über den böhmischen Zweig der Pitterles Bescheid, auch war ihm der Ort Pieterlen nicht bekannt. Den Schweizer Stamm führte Butterlin lediglich bis auf die Ritter von Eptingen zurück, dem helvetischen Nachfolgergeschlecht der Edlen von Pieterlen. Cünzlin von Eptingen fiel übrigens als Mitkämpfer Herzogs Leopold III. von Österreich 1386 in der Schlacht von Sembach gegen die nach Unabhängigkeit strebenden Schweizer Bauern. Versehen mit einer Widmung sandte der Elsässer Ahnenforscher die Genealogie nach Coburg.  

Fund in Chronik aus Pieterlen

Als Pitterle seinen Kollegen im Elsaß besuchen wollte, studierte er die Karte und stieß zufällig auf den in der Schweiz gelegenen Ort Pieterlen. Sofort ging ein Brief dorthin. Die Antwort ließ lange auf sich warten, doch als sie eintraf, war ein Heimatbuch mit einer Chronik von Pieterlen beigefügt. Darin machte Pitterle seinen entscheidenden Fund. Somit liegen nun alle wichtigen Daten der Ahnenchronik vor.  

Begonnen hatte die Suche nach der Herkunft seiner Familie eigentlich schon sehr bald. Das erste Glied in der Kette der Ahnenforschung mußte Pitterle 1943 vorweisen und sich amtlich beglaubigen lasen. Die Rassengesetze des Dritten Reiches verlangten von ihm bei der Heirat den „arischen Nachweis“. Bis in die achtziger Jahre hinein ruhten die Nachforschungsarbeiten. Der Beruf ging vor. Erst in Ruhestand befaßte sich Stephan Pitterle mit der Aufstellung eines Familien-Stammbaumes. Da kam ihm der Zufall zu Hilfe: Das Fernsehen sendete einen Vortrag über die Waldschäden in den Alpen, der Vortragende war ein Dr. Alfred Pitterle aus Wien. Umgehend bemühte sich Pitterle um einen Kontakt. „ Die nachfolgende Korrespondenz ergab“, so berichtet er, „dass wir aus dem gleichen Stall kommen.“ Außerdem erhielt Pitterle wertvolle Tips, die ihn nach Süd und Osttirol führten.  

Endlich am Ziel angelangt

Pfingsten 1989 reiste Pitterle mit einem Ferienbus nach Bruneck. Dort kam er mit einem Taxifahrer ins Gespräch. „Als er meinen Namen hörte“, so Pitterle, „war er gleich mein Freund. Er war nämlich während seiner Schulzeit Ministrant bei einem Pfarrer Pitterle in Reischach bei Bruneck“. So führte die erste Fahrt zum Friedhof mit dem Grab des Pfarrers. Aus der Inschrift einer Gedenktafel an der Friedhofsmauer erfuhr Pitterle den Geburtsort des Pfarrers: Außer-Villgraten in Österreich.  

Dorthin ging jetzt die Fahrt, wobei man an einer Tankstelle erfuhr, dass es auch in der Nachbargemeinde Tessenberg Pitterles geben soll. Nach etlichen Serpentinen stand Pitterle mit seinem Fahrer dort auf einmal vor dem „Erbhof“ Johann Pitterl (ohne „e“). „Ich war an meinem Ziel angelangt“, erzählt Pitterle: „Der 3,60 mal 0,65 Meter große Stammbaum der Tiroler Pitterle, den Johann eilfertig angeschleppt brachte, war eine Sternstunde für mich.“  

Nun folgten mehrere Aufenthalte im Tirol, wobei Stephan Pitterle immer weiter in die Geschichte seiner Vorfahren vordrang. 1345 lässt sich ein Chunat von Pitterl nachweisen. Erkennbar wurde nun für Pitterle auch, dass der Tiroler Stamm Vorgänger haben mußte. Doch außer dieser Mutmaßung ergaben sic keine Spuren. Deutlich wurde auch, dass der böhmische Stamm der Pitterle aus dem Tiroler hervorging.  

Stephan Pitterle besuchte nun auch mehrmals seine Heimat in Ostböhmen, wo er 1914 in Hertersdorf, Kreis Landskron, geboren wurde. Im Grundbuch von Böhmisch-Trübau stieß er unter der Jahreszahl 1470 auf einen Nikl Pytrle aus Rathsdorf, die älteste Erwähnung des Namens.  

Nachdem Pitterle den elsässischen, von Butterlin erforschten Stamm, hinzugefügt und den Urstamm in der Schweiz ausfindig gemacht hatte, lag die Genealogie in ihrer Vollständigkeit dar. Zudem erkannte er, dass schon 1228, also 27 Jahre vor der ersten Namensnennung, die Martinskirche in Pieterlen erwähnt wird. „Ob die Ritter von Pieterlen die Stifter dieser Kirche waren“, so Pitterle, „ist nicht sicher, aber wahrscheinlich.“ Überdies machte sich Pitterle auch noch Gedanken über die Herkunft dieses Adelsgeschlechtes. Für Pitterle stammen sie aus dem Volk der Alemannen. Aus den frühesten Namensformen wie „Perla“ sei dann Pieterlen entstanden. Etymologisch läßt sich als Wortstamm das lateinische „Petra“ (Felsen) ausfindig machen. In Pieterlen tritt der Jurafelsen hervor. Mit dem deutschen Wort „bitter“ habe der Name nichts gemein.  

Die umfangreiche Ahnendokumentation wurde von Stephan Pitterle der Patengemeinde des Familiennamens, dem Ort Pieterlen in der Schweiz, als Stiftung übergeben. Bei einem Dorffest im vergangenen Jahr in Pieterlen wurde die gesamte Dokumentation ausgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert. Hierzu hatte der Gemeinderat den Stifter eingeladen. Stephan Pitterle wurde geehrt und erhielt eine Urkunde der Gemeinde Die Ahnendokumentation wird im neuen Verwaltungsgebäude der Gemeinde, das demnächst eingeweiht wird, einen Ehrenplatz finden.

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